Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16.07.2020 in der Rechtssache C‑311/18 („Schrems II“) hat für viel Aufregung gesorgt. Manche sprechen gar von einer Zäsur im Datenschutzrecht. Künftig könnte die Übertragung personenbezogener Daten in die USA und zahlreiche außereuropäische Länder danach rechtswidrig sein. Das betrifft aktuell etwa alle Unternehmen, die Cloud-Services namhafter US-amerikanischer Technologiekonzerne nutzen.
In Teil 1 unserer News beschäftigen wir uns mit dem Hintergrund und Inhalt der Entscheidung. In Teil 2 erläutern wir die praktischen Folgen und aktuellen Anforderungen der Behörden an Datentransfers in „unsichere Drittstaaten“, insbesondere die Durchführung eines sog. „Transfer Impact Assessment“.
1. Worum ging es bei „Schrems II“?
Im Rahmen des „Schrems II“ Verfahrens hatte der EuGH zu entscheiden, ob eine Datenübermittlung auf Grundlage der sog. Standardvertragsklauseln (engl. Standard Contractual Clauses, “SCCs“) und des sog. Privacy Shields einen Verstoß gegen die Grundrechtscharta der Europäischen Union darstellt.
Der österreichische Datenschutzaktivist Maximilian Schrems hatte bereits 2013 eine Beschwerde bei der irischen Datenschutzaufsichtsbehörde eingelegt mit dem Antrag, Facebook Irland die Übermittlung seiner personenbezogenen Daten an den Mutterkonzern, Facebook Inc., mit Sitz in den USA zu untersagen. Herr Schrems begründete seine Beschwerde mit dem Argument, dass das US-Recht keinen ausreichenden Schutz vor dem Zugriff der US-Behörden auf seine in die USA übermittelten Daten gewährleiste.
Der EuGH gab dem Beschwerdeführer recht und erklärte zunächst das Safe-Harbor-Abkommen, den Vorläufer des Privacy Shields, für unwirksam („Schrems I‑Urteil“).
Im weiteren Fortgang des Beschwerdeverfahrens stellte Herr Schrems die Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung auf Grundlage der SSCs in Frage, auf deren Basis Facebook mit Wegfall des Safe Harbor-Abkommens den Datentransfer in die USA fortsetzte. Zudem wurde die Frage der Wirksamkeit des Privacy Shields aufgeworfen, das im Juli 2016 als Nachfolger des Safe-Harbour-Abkommens in Kraft getreten war.
Hierzu entschied der EuGH in seinem Urteil „Schrems II“ zusammengefasst wie folgt:
- Auch das Privacy Shield ist unwirksam. Datenübermittlungen in die USA sind auf der Basis dieses Transfermechanismus‘ daher nicht mehr zulässig.
- Die SCCs sind grundsätzlich weiterhin gültig. Allerdings muss ein Schutzniveau für personenbezogene Daten sichergestellt sein, das dem der EU entspricht. In diesem Zusammenhang treffen den Verantwortlichen (i.d.R. das Unternehmen) folgende Pflichten:
- Einzelfallbezogene Angemessenheitsprüfung: Es ist für den Einzelfall zu prüfen, ob im jeweiligen Drittland — insbesondere unter Berücksichtigung der dortigen nationalen Sicherheitsgesetze — tatsächlich ein angemessenes Datenschutzniveau existiert.
- Supplementary Measures: Besteht kein angemessenes Datenschutzniveau, ist zu prüfen, ob ein solches mittels „zusätzlicher Maßnahmen“ sichergestellt werden kann. Der EuGH ließ dabei offen, welche konkreten Maßnahmen dies sein können.
- Wenn der Verantwortliche trotz zusätzlicher Maßnahmen keinen angemessenen Schutz gewährleisten kann, muss der Datentransfer gestoppt werden. Auch besteht eine Pflicht der Datenschutzbehörden, die Datenübermittlungen auszusetzen oder zu verbieten, wenn sie der Auffassung sind, dass ein angemessenes Schutzniveau nicht gewährleistet ist.
Für die Praxis bedeutet das, dass Unternehmen für Geschäftsprozesse mit Drittstaatenbezug eine Risikobeurteilung (risk assessment) vorzunehmen haben, in der das Risiko eines Datenzugriffs durch die Sicherheitsbehörden im Land des Datenimporteurs (z.B. USA) zu analysieren und zu bewerten ist.
2. Wie betrifft mich das?
Die Schrems II-Entscheidung hat eine enorme praktische Auswirkung auf den internationalen Datentransfer. Betroffen sind hiervon nicht nur international agierende Unternehmen, die Kunden‑, Mitarbeiter- oder sonstige personenbezogene Daten innerhalb des Konzerns mit Standorten in „unsicheren Drittländern“ austauschen. Betroffen sind ebenso Unternehmen, die bestimmte Geschäftsprozesse outsourcen, wie etwa:
- Einsatz von US-Cloud-Anbietern, z.B. AWS, Google, Microsoft, Apple;
- Einsatz von US-Service-Providern, z.B. für CRM-Systeme;
- Personalmanagement, Office-Pakete (Office 365), Videokonferenzen, etc.;
- Einsatz von europäischen Dienstleistern, deren Sub-Dienstleister in den USA sitzen.
Soweit personenbezogene Daten Bestandteil dieser Geschäftsprozesse sind, hat das Unternehmen die vom EuGH geforderte Einzelfallprüfung, auch als Transfer Impact Assessment bezeichnet, durchzuführen und entsprechend zu dokumentieren.
Für die praktische Durchführung eines solchen Transfer Impact Assessments hat der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI) eine Orientierungshilfe veröffentlicht (Was jetzt in Sachen internationaler Datentransfer?). Zudem hat der Europäische Datenschutzausschuss („EDSA“) ein Empfehlung 01/2020 (zu den sog. ‚zusätzlichen Maßnahmen‘) veröffentlicht, die Unternehmen und andere Datenexporteure ggf. ergreifen müssen, wenn sie personenbezogene Daten in Drittländer übermitteln wollen.
3. Wie hilft mir LUCID dabei?
Mit unserer praktischen internationalen Erfahrung im Risikomanagement und im Datenschutz sind wir in der Lage, Ihr Unternehmen pragmatisch und effizient bei der Umsetzung der Schrems II-Anforderungen zu unterstützen. Auf Grundlage der Empfehlung des EDSA und der Orientierungshilfe des LfDI zu Schrems II begleiten wir Sie bei der Implementierung und Dokumentation der erforderlichen Maßnahmen. Einen ersten Überblick zu den konkreten Anforderungen möchten wir Ihnen in Teil 2 unseres News-Beitrags geben.